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Grenzflächen: Interaktionen zwischen Geld und Welt

Auch Banken stecken in ihrer Denkweise noch im industriellen Zeitalter fest. Diese Denke besteht vor allem darin, ein fertiges „Produkt“ zu liefern, das gekauft und konsumiert werden kann. Alle Strukturen beim klassischen „Hersteller“ sind darauf ausgerichtet; er hat seine Strukturen in den letzten Jahrzehnten dahingehend perfektioniert. Es überrascht also nicht besonders, dass das Produkt, das am Ende dabei herauskommt, vor allem eines tut: diese Strukturen widerspiegeln. Das Produkt ist aus der Logik der Bank, also aus Sicht der Unternehmensstrategie, des Produktmanagements, des Vertriebs gedacht; aber passt es auch zum Leben des Kunden? Findet es Kontakt- und Anknüpfungspunkte zum Leben des Kunden?

Es lohnt also, in Zeiten von (schon lange bevorstehender) Disruption, weltsparen.de, N26 und Hybridkonsumenten einen Blick auf die Beziehung zu werfen zwischen Kunde und Bank, dabei einen zugegebenermaßen radikalen 180°-Perspektivwechsel einzunehmen und von Außen auf die Bank zu blicken.

Wie muss die Grenzfläche zwischen einer Bank und dem Kunden aussehen, damit Bank und Kunde dauerhaft kommunizieren können und zueinander passen?

Grenzfläche – Ein Begriff aus der Physik

Der Begriff Grenzfläche wird in der Physik verwendet um Übergänge zu beschreiben. Im Alltag am bekanntesten mag die Oberflächenspannung von Wasser sein, die man mit Spülmittel reduzieren kann. Das fördert beim Schütteln die Vermischung von Wasser mit Öl und führt zu einer Emulsion. Das lässt sich auch aufs Banking übertragen:

Die analoge Frage für eine Bank ist, wie die Oberflächenspannung eines Hauses, also die Grenzfläche zum Kunden beschaffen sein sollte, damit zwischen Bank und Kundschaft ein reger, bedeutungsvoller Austausch stattfindet. Die auf den ersten Blick ungewöhnliche Betrachtung des Kontaktes zwischen Kunde und Bank führt zu neuen Perspektiven, die ohne die üblichen Strukturbegriffe wie Kanal oder Zielgruppe, Lösung oder Produkt auskommen.

Banking vom Leben her denken

Wie könnte eine nachhaltige Veränderung der Grenzfläche zwischen Kunde und Bank aussehen?

Beginnen wir mit der Frage, wie ein Kunde seine eigenen Vorstellungen und Ideen etabliert. Welches sind die Themen, die ihn interessieren? Wie verändert er seine Vorstellungen von der Welt und was hat das mit dem Kontakt zur Bank zu tun?

Die Bank kennt anhand der Portfoliopositionen eine Reihe der Kundeninteressen. Warum das so ist, weiß jeder, der ein Portfolio hat. Beim Erwerb eines Wertpapiers hatte man eine mit Wertzuwachs assoziierte Idee, eine Vorstellung über die Investments, die später als Anlage im Depot liegen. Wenn der Leser dieser Zeilen ein Portfolio haben sollte, kann er diese Hypothese überprüfen: In welcher Weise beeinflusst oder steuert der Portfolioinhalt die Aufnahme von Nachrichten? Geraten Nachrichten über VW in den Fokus meiner Aufmerksamkeit, wenn ich VW im Depot habe? Kunden nutzen ihre Investments als Anker zur Medien Selektion.

Wie die Bank die Dinge sieht

Wie bedient die Bank das Interesse des Kunden?

Eine Bank wiederum begreift die Portfoliopositionen eines Kunden als eine Reihe von Produkten. Produkte haben eine Wertpapierkennnummer oder eine ISIN. Über die Homepage der Bank kann der Kunde weitere Infos wie Pflichtmitteilungen erhalten und über die Emittenten werden Informationen zum jeweiligen Produkt zum Kunden geschickt. Die technisch oder regulatorisch geprägte Kommunikation mit dem Kunden zu seinen Portfoliopositionen ist umfangreich. Banken überlassen dies entweder dem jeweiligen Produkt-Emittenten, oder aber sammeln solcherlei Unterlagen von Relevanz für den Kunden und versehen sie mit dem eigenen Logo und manchmal kann der Kunde wählen, ob er Post bekommen mag oder den Download aus dem Postfach bevorzugt.

Nicht nur im Produkt selbst, auch in der Darstellung des Produkts findet sich die spezielle Sichtweise der Bank, die eher den Blick der Bank auf die Welt als den Blick des Kunden repräsentieren. Beispielsweise im Breakdown der Verteilung der Portfoliopositionen auf bestimmte Assetklassen. Welche Kunden interessiert es zu wissen, sie haben 20% Fonds, 60% Aktien und 20% Liquidität? Welche Kunden interessiert die Perspektive, zu 40% in Deutschland, zu 30% in Europa und zu 30% in Emerging Markets investiert zu sein? Allgemeiner gestellt lautet die Frage: Woher weiß eine Bank, welcher Breakdown welchen Kunden interessiert?

Ohne einen kundenorientierten Breakdown vertut die Bank eine Chance, das von den Portfoliopositionen des Kunden ausgehende Orientierungspräferenz zu nutzen. Wenn die oben formulierte Hypothese richtig ist, dass das Portfolio des Kunden seine Sicht auf die Welt repräsentiert, kann die Bank ihre „Grenzfläche“ auf neue Art nutzen. Sie bedient mit Hilfe der Investments der Kunden das Interesse der Kunden und bindet sie an die Bank.

»News« als Stoff, der die Welten zusammenhält

Ein beispielhafter Blick auf den Inhalt von Nachrichten mag der Erläuterung dienen. Wenn in einer Artikelüberschrift von VW die Rede ist, verwendet das Publikationsmedium oder der Autor des jeweiligen Artikels die Bezeichnung VW in der Überschrift, um die Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen. Der Schlüsselbegriff sorgt für die Orientierung des Lesers und sichert seine Aufmerksamkeit. Der Inhalt des Artikels ist eine Geschichte zum Thema, die von VW kündet, eine Geschichte, die Aktualität zu VW vermittelt und VW erfahrbar macht.

Zurück zur Bank: Die Bank kennt die Themen, die den Kunden beschäftigen. Sie kennt die Themen, die den Kunden interessieren nicht nur auf Basis seiner einzelnen Investments, sondern auch auf Basis der jeweils dazu übergeordneten Kategorialbegriffe. Das Investment in VW kann vereinfacht gesprochen in verschiedene Themen zerlegt werden: DAX oder Automotive. Wie kann nun die Bank auf Basis einzelner Investments des Kunden Bindung erzeugen? Mit Hilfe des einzelnen Investments (im Beispiel VW) und der übergeordneten Kategorialbegriffe DAX und Automotive kann die Bank passenden Content ausspielen, also dazu passende Veröffentlichungen, die weil aktuell und passgenau aus dem Strom der Nachrichten extrahiert, für Aufmerksamkeit und Bindung des Kunden sorgen.

Die Grenzfläche der Bank wird offener, es kommt zu einem vielfältigen Austausch themenbezogener Information. Sie kümmert sich auf innovative Weise darum, das vielfältige Informationsrauschen der modernen Welt bedeutsam und anfassbar zu machen. Die Bank wird vom Kunden als modern gesehen, weil sie dem Bedarf vieler Kunden nach maßgeschneiderten Dienstleistungen auf eine neue Art entsprechen kann.

Wenn Sie wissen wollen, wie man in fünf Evolutionsstufen zu einer Vernetzung zwischen Mensch und Bank kommt, lesen Sie meinen Blogpost »Digitalisierte Kundenbindung als schrittweise Evolution«