Blog, Science
Schreibe einen Kommentar

Der Nutzen von Kundenzielen für die Anlageberatung

© Joachim Löning

Aktuell ist das Umfeld für Geldanlage nach vielen Jahren stetigen Wachstums volatiler geworden. Viele Anleger sehen die Rückgänge im Depot und fragen sich, ob sie Verkaufen, Nachinvestieren oder Nichts tun sollten. Welche Rolle Anlageziele für diese Frage spielen, soll näher beleuchtet werden.

Regulatorisch gehört zur Anlageberatung die Abfrage und Erfassung der Anlageziele. Auch bei vielen Ratgebern sind Ziele für die Anlageberatung von großer Bedeutung. Anleger sollen sich ihrer Ziele bewusst werden, sie sich vor Augen führen, sie sollen sie diszipliniert verfolgen und immer wieder überprüfen. Das mag für einen rationalen Anleger hilfreich sein, faktisch ist die Bedeutung inhaltlicher Anlageziele gering.

Als Anlageziel soll exemplarisch der Wunsch diskutiert werden, im Alter finanziell unabhängig zu sein. Wichtig für eine anlegergerechte Empfehlung ist die Risikobereitschaft des Anlegers, die gesondert und unabhängig vom Ziel erfragt werden sollte. Diese Risikobereitschaft definiert einen Korridor. Liegt das Alter, in dem finanzielle Unabhängigkeit gewünscht wird, in der nahen Zukunft, empfiehlt sich ein geringeres Risiko innerhalb des Korridors, hat der Anleger noch viel Zeit, kann das Risiko höher sein.

Die Unterschiede zwischen den Korridoren der Risikobereitschaft sind größer als mehr oder weniger Risiko innerhalb eines Korridors. Weder das Anlageziel noch der verbleibende Anlagehorizont ändert etwas an der Antwort auf die Frage, wie mit Verlusten im Depot umzugehen ist. Eine zur gewählten Risikobereitschaft passende Anlagestrategie sollte Marktkorrekturen, wie wir sie jetzt sehen, erträglich machen. Die Antwort auf die eingangs beschriebene Frage Verkaufen oder Nachinvestieren heißt also Nichts tun bzw. an der Anlagestrategie festhalten.

Empirische Belege

Werden Anleger befragt, wofür sie eigentlich ihr Geld anlegen, kommt es zur Formulierung von Zielen, die in vielen Fällen gar nicht am Anfang der Anlageentscheidung standen, sondern Ausdruck diffuser Wunschvorstellungen persönlicher und sozialer Natur sind.

In eigenen empirischen Untersuchungen haben wir nach den Zeiträumen gefragt, in denen Anleger bei der Geldanlage denken (unveröffentlicht, 364 Anleger). Demnach gibt es nur zwei unterscheidbare Anlagezeiträume, die Anlageentscheidungen leiten: Kurz (1-4 Jahre: „Ich brauche demnächst Geld“) vs. Lang (>5 Jahre: „Ich brauche das Geld demnächst nicht“). Unsere parallel vorgenommene Befragung von 82 Beratern hat diese Anlagezeiträume bestätigt.

Praxisnah empfehlen wir vom Wunsch nach der „Vermehrung von Kapital“ auszugehen, anstatt nach Anlagezielen zu fragen und dadurch falsche Erwartungen zu schüren. Sollte es Anlageziele beim Kunden geben, sind diese wertvolle Hinweise, aber nicht mehr.

Anlageziele in Literatur und Forschung

Menschliches Erleben und Verhalten kann ganz ohne Ziele und die damit verbundenen Emotionen erklärt werden. Aus der Sicht des Behaviorismus ist das Leben geprägt von Belohnungen, die wir suchen, und Bestrafungen, die wir vermeiden. Dadurch formen sich bestimmte Verhaltensweisen heraus. In Sachen Geldanlage heißt das: Wer schon mal herbe Verluste realisiert hat, um danach eine Markterholung zu versäumen, wird vermutlich bei der nächsten Marktkorrektur vorsichtig sein, seinen Buchverlust erneut zu realisieren.

Ein eigener Forschungszweig widmet sich der Sehnsucht, die als intensiver, langfristiger, schwer zu erfüllender Wunsch nach Menschen, Dingen, Ereignissen oder Erlebnissen beschrieben wird. Sehnsüchte sind bei vielen vorhanden und ob man selbst welche hat, kann sich jeder selbst ganz leicht beantworten. Sehnsüchte erscheinen als Ziel diffus, weshalb sie wenig hilfreich für Fragen der Geldanlage sind, vor allem, weil ihnen eine Zeitachse fehlt (vgl. Scheibe, Freund und Baltes, 2007).

Die Goal Setting Theory in der Psychologie beschreibt, wie Ziele beschaffen sein müssen um etwa Athleten erfolgreich zu machen. Realistisch und erreichbar, passend, am besten vermittelt durch einen Coach sollten Ziele sein. Die Definition von Anforderungen an die Formulierung von Zielen funktioniert gut im Sport. Überträgt man das auf die Geldanlage wird die Forderung „realistisch“ erst in der Zukunft bewertbar.

Ableiten lässt sich daraus die Rolle der Visualisierung der Zukunft. Kann man sehen, wo man mit der eigenen Geldanlage landet, stimuliert dies idealerweise Sehnsüchte, die Kundin oder Kunde schon lange hatten. Auch was realistisch möglich ist, wird sichtbar und wenn man die Kraft der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten nutzt, wird der Bereich sichtbar, in dem sich Ziele realisieren lassen.

Handlungsempfehlungen für Berater

  • Visualisieren Sie zukünftige Entwicklungen, die aus der Anlage entstehen können und zeigen Sie dem Kunden in ansprechender Form, was er erwarten kann.
  • Fragen Sie ihre Kunden nur soweit regulatorisch vorgeschrieben nach ihren Zielen. Gehen Sie davon aus, dass es in der Regel diffuse, mit wenig motivationaler Kraft ausgestattete Ideen sind.
  • Fragen sie im Rahmen der Kundenprofilierung explizit nach dem Anlagehorizont. Kurz- oder langfristig ist leicht zu entscheiden und für die Bestimmung des richtigen Risikos für eine Anlage relevant.

Mit professionellen Softwarelösungen zur Anlageberatung, die visualisieren, wie sich die Geldanlage voraussichtlich entwickeln wird, schaffen Sie Aha-Momente für Ihre Kunden und fördern die Entscheidungsfreude, etwas mit dem Geld zu tun. So werden Sie als Berater zum geschätzten Enabler von Zukunft und erzeugen eine emotionale Bindung an Ihren Service. Im Beitrag Anleitung zur Digitalisierung lesen Sie mehr darüber, wie die in regulatorischen Anforderungen liegenden Chancen für mehr Geschäft genutzt werden können.

München, 12.11.22,
Dr. Lothar Jonitz, Matthias Brabetz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert