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Die Welt im Portfolio

© Joachim Löning

In Deutschland ist nur eine Minderheit der Menschen in Wertpapiere investiert. Obgleich die Gründe dafür mannigfaltig sind, ist davon auszugehen, dass das Thema Geldanlage vielen Menschen als zu risikoreich und intransparent im Sinne von abstrakt und lebensfern erscheint. Dem möchten Marktakteure entgegenwirken, um neuen Kundengruppen die im Vermögen liegenden Chancen auf Wertentwicklung und Partizipation am Weltgeschehen zu erschließen. 

Entsprechend befindet sich die Branche auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, die den Zusammenhang der lebensweltlichen Erfahrungen mit dem eigenen Vermögen nutzen und den schnöden Mammon mit Bedeutung, Emotionen und subjektiver Wirkmacht aufladen.

Input: Das Portfolio als Kristallisationspunkt

Ein Anleger-Portfolio besteht aus datentechnischer Sicht lediglich aus einer gewichteten Liste von Wertpapieren. Es erfordert einen beträchtlichen Aufwand, um die am Markt verfügbare Datenbasis zu prüfen, zu vervollständigen und anzureichern, damit qualitativ hochwertige Portfolio-Analysen und -Optimierungen möglich sind. 

Die im resultierenden Datenfeed enthaltenen Taxonomien stellen eine sehr gute Voraussetzung für die Integration weiterer Datenpools dar. Die relativ stabilen, sozusagen »kristallinen« Unternehmens- und Wertpapierinformationen in Form von Stamm-, Kategorial- und Strukturdaten, also die mit dem Wertpapier verknüpften Regionen, Sektoren, Branchen, Indizes usw., können quasi als »Rezeptoren« für weitere Datenbanken, -quellen und -pools genutzt werden. 

Output: Verdichtetes Wissen von der Welt

Die erste Datenquelle, die wir auf diese Weise in unser wertpapierzentriertes Datenmodell integriert haben, ist der Nachrichtenpool von Pattern Science. Dieser Datenpool speist sich aus sämtlichen in Deutschlands Print- und Online-Medien veröffentlichten Nachrichten und verknüpft diese in Form eines Netzwerkgraphen, der zeigt, was wie miteinander zusammenhängt. Innerhalb eines solchen Netzwerkgraphen wird die jedem Portfolio eigene charakteristische Verweisungsstruktur dazu genutzt, eine Brücke zu schlagen zwischen der eigenen Geldanlage und den lebensweltlich relevanten Erzählungen bzw. Narrativen, wie z.B. Nachrichten, Trends, Szenarien und Sentiments. 

Der Portfolio-Graph ist in der Lage, die in der Berichterstattung enthaltenen thematischen Schlagworte, Trends und Sentiments zu extrahieren und nach Neuigkeitswert auszusteuern. So kann jeder Anleger sämtliche Printmedien fokussiert auf Neues zum eigenen Portfolio durchforsten. Durch die strukturierte Verknüpfung mit täglich neuen Nachrichten nimmt der Informationsgehalt der „kristallinen“ Datenpunkte wird das Portfolio zum anlegerspezifischen Relevanz-Filter bzw. zum Brennglas gegenüber dem ausufernden Strom der massenmedialen Berichterstattung. 

Der Mehrwert (im Vergleich zu einer Google-Suche) besteht darin, dass es keine explizite Nennung bzw. keine direkte Entsprechung der unmittelbar mit den Wertpapieren verknüpften Metadaten in den Nachrichten braucht, um diese als relevant für das Portfolio zu erkennen. Die Verweisungsstruktur innerhalb des Graphen übersteigt den Informationsgehalt selbst komplexer Suchanfragen systembedingt. So entsteht ein Themen- und Newsfeed, der für den Anleger relevant ist und dessen Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Durch das Aufzeigen der Zusammenhänge des eigenen Vermögens mit der Welt können Kunden systematisch entwickelt und Produkte emotional aufgeladen werden. So wird das Thema Geldanlage auch für Neulinge zugänglich und anfassbar. Der Durchstich ist vollbracht, aus Big Data wird Smart Data.

Extra-Input: Fluides Research mobilisieren

»Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.« (Niklas Luhmann). Lediglich Research im Sinne von wissenschaftlichem Wissen (oder Insider-Wissen) vermag das Wissen über die Welt über die mediale Berichterstattung hinaus zu mehren. Der Wissensvorsprung von Research-Abteilungen von Banken oder Fondsmanagern macht den Unterschied, wenn der Kunde daran teilhaben kann.

User Interface: Neuland kann nicht mit der Ausrüstung von gestern betreten werden

Die Dynamik der Interaktion von kristallinen Input- und fluiden Output-Daten im Zusammenspiel mit Portfolios stellt uns vor neue designtechnische Herausforderungen bei der Gestaltung eines geeigneten User Interfaces. Es muss in der Lage sein, die Vielzahl der Dimensionen des Datenmodells in ihrem Zusammenhang zu steuern, darzustellen und möglichst einfach erlebbar zu machen. Daher experimentieren wir mit Neustart, einem Münchner Spezialisten für die Entwicklung interaktiver Softwareinterfaces, mit neuartigen Bedienelementen, die einen intuitiv verständlichen und spielerischen Umgang mit den Input- und Output-Parametern erlauben. 

Als Dreh- und Angelpunkt für die Visualisierung des Portfolios bewährt sich die interaktive Spider-Darstellung im Risk/Return-Chart, die sich inzwischen als Branchen-Standard etabliert hat. Die Logik und Funktionalität der neuartigen Bedien-Interfaces für das interaktive Handling dynamischer Listen ist schwer zu beschreiben, aber in der Verwendung intuitiv zu verstehen. Den an den tetralog talks 2018 teilnehmenden Branchenkennern wurden erste Prototypen des neuartigen Informationstools vorgeführt und die durchweg positiven Rückmeldungen bestätigen, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Ersten Projekten zur Nutzung und weitergehenden Integration der neuen Technologie steht damit nichts mehr im Wege.

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Wenden Sie sich an Matthias Brabetz,

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